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Arktisches Meereis verschwindet immer weiter

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Das Meereis der Arktis steht als Synonym für die Auswirkungen des Klimawandels. Beinahe jedes Jahr machen Negativrekorde in Bezug auf die Ausdehnung der Meereisfläche Schlagzeilen in den Medien rund um die Welt. In diesem Winter haben nun die Wissenschaftler des US-amerikanischen Schnee- und Eisdatencenters NSIDC ihre neuesten Zahlen bekanntgeben und die niedrigste Ausdehnung des Wintereises verzeichnet.

Das arktische Meereis hat in diesem Winter seine kleinste Ausdehnung erreicht, zum zweiten Mal in Folge. Mit den gemessenen 14.52 Millionen Quadratkilometer ist dies die kleinste Maximalausdehnung seit den Satellitenmessungen und rund 1.11 Millionen Quadratkilometer weniger als die durchschnittliche Maximalausdehnung (orange Linie), gemessen zwischen 1981 – 2010. Karte: NASA Goddard's Scientific Visualization Studio/C. Starr
Das arktische Meereis hat in diesem Winter seine kleinste Ausdehnung erreicht, zum zweiten Mal in Folge. Mit den gemessenen 14.52 Millionen Quadratkilometer ist dies die kleinste Maximalausdehnung seit den Satellitenmessungen und rund 1.11 Millionen Quadratkilometer weniger als die durchschnittliche Maximalausdehnung (orange Linie), gemessen zwischen 1981 – 2010. Karte: NASA Goddard's Scientific Visualization Studio/C. Starr

Jedes Jahr schmilzt die Kappe gefrorenen Meerwassers, die auf dem Arktischen Ozean und seinen angrenzenden Meeren liegt vom Frühjahr an durch den Sommer hindurch und wächst wieder mit dem Beginn des Herbstes und durch den Winter hindurch. Ihre maximale Ausdehnung erreicht sie zwischen Februar und April. Am 24. März 2016 erreichte die Kappe ihre maximale Ausdehnung mit 14.52 Millionen Quadratkilometer. Dies bedeutet einen neuen Negativrekord der Winterausdehnung seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen 1979. Die Ausdehnung ist noch kleiner als im letzten Winter, als das Meereis eine Fläche von 14.54 Millionen Quadratkilometer bedeckte. Die 13 kleinsten Maximalausdehnungen gemäss Satellitenaufzeichnung wurden in den letzten 13 Jahren gemessen.

Eine niedrigere Meereisfläche bedeutet auch einen kleineren Lebensraum für Eisbären und Robben, die auf dem Eis leben. Weibliche Eisbären haben grössere Schwierigkeiten, die Eiskante mit den Jungen zu erreichen und Robben haben kleinere Gebiete, um sich fortzupflanzen und eine höhere Wahrscheinlichkeit, auf Eisbären zu stossen. Doch eine kleine Wintereisausdehnung bedeutet nicht automatisch auch einen negativen Rekord im Sommer. Bild: Michael Wenger
Eine niedrigere Meereisfläche bedeutet auch einen kleineren Lebensraum für Eisbären und Robben, die auf dem Eis leben. Weibliche Eisbären haben grössere Schwierigkeiten, die Eiskante mit den Jungen zu erreichen und Robben haben kleinere Gebiete, um sich fortzupflanzen und eine höhere Wahrscheinlichkeit, auf Eisbären zu stossen. Doch eine kleine Wintereisausdehnung bedeutet nicht automatisch auch einen negativen Rekord im Sommer. Bild: Michael Wenger

Der neue Negativrekord folgt auf Rekordtemperaturen im Dezember, Januar und Februar rund um den Globus und auch in der Arktis. Die atmosphärischen Wärmepakete haben wahrscheinlich zu dem Negativrekord mitbeigetragen. Die Temperaturen an den Eiskanten, wo das Eis dünn ist, betrugen bis zu 12°C über dem Durchschnitt, erklärt Walt Meier, ein Meereisforscher der NASA in Greenbelt, Maryland. Die Windmuster in der Arktis zwischen Januar und Februar waren auch nicht gut für die Eisausbreitung. Die Winde transportierten warme Luft aus dem Süden und verhinderten eine Ausdehnung der Eisdecke. Aber ultimativ wird gemäss Meier wärmeres Meereswasser in Zukunft eine wichtigere Rolle für die maximale Ausdehnung des arktischen Meereises spielen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in Zukunft kleinere Maximalausdehnungen im Winter beobachten werden, weil zur wärmeren Atmosphäre auch noch ein wärmerer Ozean kommen wird. Dieser wird die Meereisausdehnung weiter in den Süden verhindern“, meint Walt Meier weiter. „Obwohl die maximale Ausdehnung in jedem Jahr anders ist, abhängig von den Winterwetterbedingungen, beobachten wir einen Abwärtstrend. Und der ist definitiv mit der wärmeren Atmosphäre und dem Ozean verbunden.“ Seit 1979 hat dieser Abwärtstrend zum Verlust von mehr als 1.6 Millionen Quadratkilometer arktischem Meereis geführt, einer Fläche die grösser als Portugal, Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen ist. Der diesjährige Winternegativrekord wird nicht notwendigerweise zu einem ähnlichen Sommernegativrekord führen, erklärt Meier. Die Sommerwetterbedingungen haben einen grösseren Einfluss als das Wintermaximum für den Ausgang der jährlichen Schmelzsaison; wärmere Temperaturen und stärkere Sommerstürme lassen das Eis schneller schmelzen, kühlere Sommer bremsen das Schmelzen.

Die NASA verzeichnete im Sommer 2015 die viert-niedrigste Sommereisausdehnung seit Messbeginn. Mehr als 1.7 Millionen Quadratkilometer kleiner war die Fläche als im Durchschnitt gemessen. Karte: NASA Goddard's Scientific Visualization Studio
Die NASA verzeichnete im Sommer 2015 die viert-niedrigste Sommereisausdehnung seit Messbeginn. Mehr als 1.7 Millionen Quadratkilometer kleiner war die Fläche als im Durchschnitt gemessen. Karte: NASA Goddard's Scientific Visualization Studio

Das arktische Meereis spielt eine wichtige Rolle im Erhalt der Erdtemperatur. Die weisse Oberfläche reflektiert die Sonneneinstrahlung, die ansonsten vom Ozean aufgenommen werden würde. Aber dieser Effekt ist im Sommer noch relevanter, wenn die Sonne hoch am arktischen Himmel steht, als im Winter, wenn die Sonne nicht über den Horizont steigt. Im Winter ist der Einfluss des fehlenden Meereises vor allem in der Atmosphäre zu spüren, erklärt Jennifer Francis, eine Klimaforscherin an der Rutger Universität in New Brunswick. „An Orten, wo das Meereis fehlt, führt die offene Wasserfläche der Atmosphäre mehr Wärme zu, weil die Luft viel kälter ist, als das nicht gefrorene Meerwasser“, sagt Francis. „Wenn das Wintermeereis verschwindet, breiten sich Gebiete mit ungewöhnlich warmen Lufttemperaturen aus. Dies sind auch Gebiete grösserer Verdunstung und der resultierende Wasserdampf erhöht die Wolkenbildung, die wiederum im Winter die Oberfläche stärker erwärmt.“

Quelle: Maria-Jose Viñas, NASA’s Earth Science News